Am Ende der Welt

Nachdem ich in der ersten Zeit ja noch sehr motiviert jede Woche geschrieben habe, ist es jetzt nun schon fast einen Monat her, seit der letzte Blogeintrag online ging. Woran liegt das? Nun ja, zu wenig passiert ist jedenfalls nicht!

Da unser Leben ja zum größten Teil in Huancarani stattfindet, beginne ich meinen Bericht diesmal dort. Zu Anfang war ich noch etwas unsicher, was den Umgang mit meinen Kindern betraf, vor allem, da mein Spanisch noch nicht sonderlich sicher war, aber mittlerweile habe ich sie alle ins Herz geschlossen und freue mich jeden Tag auf die Arbeit mit ihnen. Gerade habe ich auch etwas Neues gefunden, womit man sie begeistern kann: Origami, egal in welcher Form, sie basteln geduldig jedes Motiv mit mir und haben ihren Spaß – obwohl man dank meiner Bastelkünste oft genug nur mit Mühe die Figur erkennen kann… Und trotzdem fällt mir durch kleine Begebenheiten immer wieder auf, dass wir uns doch irgendwie am Ende der Welt befinden. Während eines kleinen Spiels ging es z.B. um die Funktionen der Ampellichter. Ich hatte damit gerechnet, dass mir sogar die Kleinsten mit Leichtigkeit erklären können,  dass man bei grün gehen darf und rot stehen bedeutet. Stattdessen stellte schon die Zusammensetzung der Ampel die Kinder vor Probleme und als dann die Antwort „rot, blau, grün“ kam, wurde mir bewusst, dass es in Huancarani keine einzige Ampel gibt. Genauso stellen mich die unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder immer wieder vor Probleme. Während einige schon mit Aufgaben wie 3×5 Probleme haben, lernen andere gerade das schriftliche Dividieren von 5-stelligen Zahlen. Da heißt es dann mitunter 5 verschiedene Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten, aber ansonsten wäre es sicher auch langweilig, oder?

Neben der Nachmittagsbetreuung gibt es aber natürlich auch noch andere Aktivitäten des Zentrums. So läuft Ada jeden Tag in die comunidades, um verschiedene talleres (workshops) zu realisieren. In der letzten Zeit ging es um „residuos sólidos“, also um den richtigen Umgang mit Müll und in den nächsten Wochen werden in allen comunidades riesige Behälter zur Mülltrennung aufgestellt. Im Moment läuft gerade ein taller de gastronomía, in dem die Mütter lernen gesund zu kochen (z.B. mit vielen Möhren, da diese besonders viel Vitamin A enthalten, an dem es hier mangelt). Diesen konnte ich aber leider noch nicht miterleben, da immer etwas anderes anstand.

Besonders erwähnenswert ist darunter sicher die Eröffnung des comedors (eine Art Kantine) in Huancarani. Dieser wurde durch Spenden aus Italien finanziert und soll ab dem nächsten Jahr bis zu 200 Kindern aus der Gegend täglich offen stehen. Und da die Peruaner gerne feiern, wurde die Gelegenheit für ein großes Fest genutzt. Willy, der Tanz- und Musiklehrer des Zentrums, steuerte mit den Kindern aus Piscohuata auch einen Programmpunkt bei: einen traditionellen Tanz aus Urubamba in selbstgenähten Trachten (die ihn in der letzten Zeit einige Nächte wach gehalten haben).

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Unsere Aufgabe dabei war es, die Kinder mit Essen zu versorgen (selbstgemachte Chicha morada und dann gab es wirklich leckeres Pollo im comedor). Und damit die Kinder den Tanz auch nicht vergessen, gab es am nächsten Tag die nächste Gelegenheit ihn vorzuführen: die Preiserleihung von Suyana, einer anderen Hilfsorganisation in der Gegend. Dabei hatten alle Schulen aus den umliegenden comunidades einen Stand aufgebaut, auf dem sie ihre Projekte und Fortschritte präsentierten. Außerdem gab es einen Kochwettbewerb der Kinder (bei dem Willy und ich ein Teil der Jury waren) und begleitet wurde das Ganze durch die besagten Tänze aus jeder Gemeinde und viel Musik. Am Ende wurden wir dann wieder zum Essen eingeladen, da es in Peru als furchtbar unhöflich gilt, seine Gäste hungrig gehen zu lassen.

So viel zu den Tagen in Huancarani. Eigentlich hatten wir ja wie angekündigt vor, ein Wochenende dort zu bleiben und die Vorbereitung der Machu Picchu Reise der Kinder zu unterstützen, aber dazu kam es zumindest bei mir nicht. Nachdem wir einen Tag zuvor noch in der Klinik waren, wo ich mich gegen Gelbfieber impfen ließ, fühlte ich mich am Donnerstag nicht wohl und bin zur Sicherheit zur Kontrolle wieder runter nach Cusco gefahren. Und tatsächlich lautete die Diagnose: Typhus! Naja, das war im ersten Moment natürlich nicht so cool, aber eigentlich ging es mir nie so schlecht, wie die Reaktionen aus Deutschland vermuten ließen! Also Typhus (zumindest in meinem Fall) ist gar nicht so schlimm wie man denkt, die Mitarbeiter im Krankenhaus waren auch super freundlich und die Standards in der clínica Pardo sind eindeutig mit deutschen Verhältnissen zu vergleichen. So hatte ich zumindest viel Zeit die letzten Wochen Revue passieren zu lassen, nach Hause zu skypen und meine nächsten Schritte in Peru zu planen.

Nur knapp eine Woche später haben wir uns nämlich auf den Weg in den Regenwald (genauer gesagt in den Nationalpark Tambopata) gemacht. CIMG2400

Diesmal war das Ganze aber nicht ganz so spontan wie die Arequipa-Reise, da wir vorher in Cusco eine Tour gebucht hatten und somit bloß in den Bus steigen mussten, der uns nach 10 Stunden in Puerto Maldonado absetzte. Dort wartete schon der erste Teil unserer Reisegruppe auf uns: ein belgischer Abenteuerreisender, der mir bewusst gemacht hat, wie schlecht mein Englisch in den letzten Wochen geworden ist. Da die vierte Person erst fünf Stunden später mit dem Flugzeug ankam, haben wir die Gelegenheit zu einer kleinen Führung durch Puerto Maldonado genutzt und sind dann mit einem Boot eine Stunde über den Rio Madre de Dios zu unserer Lodge gefahren. Dabei begrüßte uns der Regenwald direkt mit einem so heftigen Regenschauer, dass meine erste Hose bis zum Ende der Reise nicht mehr trocknete. Trotzdem war es unglaublich cool, in einer Hütte mitten im Regenwald zu wohnen und die einzigen Touristen weit und breit zu sein (was uns leider auch den ersten Tag ohne Wasser bescherte). Am Abend sind wir dann zu einer kleinen Nachtwanderung in den Wald aufgebrochen und haben auf die Geräusche des Dschungels gehört – es ist so erstaunlich laut durch all die Tiere, die dort unerkannt leben! Am nächsten Tag sind wir zum Lago Sandoval gefahren, d.h. erst zurück über den Rio Madre de Dios, dann eine Stunde Wanderung über etwas ausgetretenere Touristenpfade und dann mit einem kleinen Paddelboot über den See bis zur nächsten Lodge. CIMG2593DSCI0430

Der See ist ein Naturschutzgebiet und darf deshalb nicht mit Motoren befahren werden, aber dadurch wurde es nur umso schöner und wir hatten die Gelegenheit ein 6 Meter langes Krokodil im Wasser zu beobachten, Affen und Papageien zu sehen und den Anblick des Sternenhimmels vom Wasser aus zu genießen. CIMG2511DSCI0550

Was mich an Land besonders beeindruckt hat, waren die „walking trees“, Bäume, die sich mit ihren Wurzeln zur Sonne hin bewegen, und der Capoc-Tree, einer der größten Bäume der Welt. Man kann vom Boden aus sein Ende nicht erkennen und um ihn zu umarmen bräuchte man 12 Leute. Außerdem haben wir eine Bananenplantage besucht und unser Essen anstatt auf Tellern in Palmenblättern serviert bekommen.

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„Walking tree“
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Auf der Bananenplantage

Den letzten Tag verbrachten wir dann noch in Puerto Maldonado, da unser Bus erst um 8 Uhr abends zurück ging. Dort haben wir auf dem Markt alle möglichen exotischen Dinge wie Maracuja, Palmherz oder Kokosnuss probiert und am Abend den Sonnenuntergang über dem Fluss beobachtet.

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Kokosnüsse auf dem Markt

Alles in allem war unsere Reise genauso wie man sich einen Besuch im Regenwald vorstellt und ich freue mich sehr, einmal die Gelegenheit gehabt zu haben, diese besondere Landschaft kennen zu lernen, aber wenn ich ehrlich bin muss ich das nicht unbedingt wieder haben. Es fliegen dort einfach viel zu viele Mücken rum (Anti-Mückenspray ist eindeutig eine Erfindung der Werbung – wir hatten das Gefühl, dass dadurch die Mücken erst angezogen werden) und an die schwülen Temperaturen kann ich mich auch nicht gewöhnen. Wie ihr seht bin ich also in der Kälte von Huancarani gut aufgehoben und freue mich auf die nächste Woche dort!

Liebe Grüße nach Deutschland, Doro

6 Kommentare zu „Am Ende der Welt

  1. Es ist so ,so schön, Deine Beiträge immer auch noch lesen zu können, nachdem wir schon mit dir geskypt haben. Auch die Bilder sind ganz wundervoll. Ihr seid wirklich in einer anderen Welt. Wir freuen uns, dass es Dir dort so gut gefällt. Auch wenn Du in Cusco schon im Krankenhaus liegen musstest, scheinst Du ja immer noch sehr glücklich zu sein. Wir freuen uns schon auf unseren nächsten Termin, mit Dir skypen zu können. Liebe Grüße nach Cusco, wir haben Dich dolle lieb und fühl` Dich von uns umarmt und geküsst, Papa und Cordula

  2. Hallo, liebe Doro,

    endlich gucke ich mal wieder in deinen Blog und bin erstaunt, dass du schon so viel geschrieben und erlebt hast. Gut, dass du so faule Tanten und Onkels hast, so haben wir gar nicht mitbekommen, dass du Arme an Typhus erkrankt warst (Schock!!!) und können dir jetzt bereits zur Heilung gratulieren. Die fiesen Mücken hast du auch überlebt, das kenne ich ja auch aus den finnischen Sommern, da macht der Aufenthalt draußen nicht so viel Spaß. Trotzdem ist ja die Landschaft – zumindest nach den Fotos zu urteilen – wunderschön, da sind die Mücken schon ganz gut, sonst würden sicher ganz viele Touristen das Land überschwemmen…
    Ich wünsche Dir weiterhin viele tolle Naturerlebnisse und viel Spaß mit „deinen“ Kindern beim Rechnen, Englisch, Schach, Kochen usw. …

    Liebe Grüße und pass auf dich auf (kein Typhus mehr, versprochen?)

    Doris (und Harry)

  3. Liebe Doro,

    du bist die Erste aus der family, die im Regenwald umherspaziert! Jedenfalls soweit mir bekannt ist. Das ist ganz schön cool.

    Das Fest in Huancarani scheint sehr schön gewesen zu sein. Die Fotos wirken sehr lebendig und fröhlich. Und wie mir scheint, gehört ihr so langsam zur Dorfgemeinschaft dazu. Die Kinder und die anderen Betreuer freuen sich bestimmt, dass ihr da seid. Die haben auch wirklich Glück mit euch!

    Ich bin froh, dass deine Typhus-Erkrankung glimpflich verlaufen ist. Bleib nun schön gesund und sei herzlich gegrüsst,
    Dorothe

  4. Hallo Dorothe,
    über E-Mail sind wir ja schon informiert. Zum Glück bist du ja wieder gesund und hast schon wieder interessante Trips unternommen, an die du uns ja alle durch deine tollen Berichte teilnehmen lässt. Hab herzlichen Dank dafür!
    Es ist möglich, dass wir für eine gewisse Zeit vom Internet getrennt sind und dir und deinen Aktivitäten dann leider nicht folgen können. Bei uns wird Glasfaser verlegt, welches zu einem schnellen Internet verhelfen soll. Die baulich/technischen Maßnahmen verzögern sich allerdings, wahrscheinlich speziell bei uns…
    Herzliche Grüße OE und Opa Hans

  5. Hallo Dorothe,
    habe mit meiner Mutter zusammen deine Bilder betrachtet. Ich soll dir von ihr ausrichten, dass du mutig bist. Sie kann gar nicht glauben, dass du für ein Jahr bei den „Inkas“ wohnst… Offensichtlich nutzt du die Zeit für spannende Ausflüge. Das Bild mit den blühenden Zweigen und den schneebedeckten Bergen im Hintergrund gefällt mir besonders gut. Du sitzt übrigens auf einer Bank und schaust uns irgendwie zufrieden an. Überhaupt sind deine schönen Fotos ein Highlight im trüben November-Rahden.. In der Schule herrscht ziemliches Chaos und meine Lernanfänger werden einfach nicht ruhiger…Der große Lichtblick kam gestern in einem roten Auto angerauscht: Maggy Thatcher!!! Gleich werden wir durchs Moor spazieren; Margarete hat extra ihre speziellen Wanderschuhe mitgebracht! Pass auf dich auf! Tschüss von Ina

  6. Hallo liebe Doro,
    das sieht schon toll aus, was du am anderen Ende der Welt zu sehen bekommst. Ihr seid aber auch ganz schön unternehmungslustig und scheut keine Strapazen, um Land und Leute kennen zu lernen.
    Ich wünsche dir,dass sie Stimmung gut bleibt und ihr noch viel erlebt.
    Hier hat der trübe November uns fest im Griff. Letztes Wochenende sind wir aber mal spontan nach Haaren gefahren, das war schön. Und jetzt geht ja auch sehr bald die Vorweihnachtszeit los, die wie immer einige Höhepunkte bereit hält. Am Montag wird für Joon und seine Jungs die Eislaufbahn in Vegesack eröffnet und am Wochenende sind wir dann zu ersten Punschtrinken der Saison eingeladen …
    Daneben stören natürlich für Joon und Nick lästige Pflichten wie Referate und Klassenarbeiten und für mich Konferenzen und Korrekturen.
    Sei ganz lieb gegrüßt
    Anne

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